Mittwoch, 13. Juni 2007

LA CALETA in Santiago de Chile

Das zweite Projekt, das wir im Rahmen der Radreise besuchten, ist der langjaehrige tdh-Projektpartner LA CALETA, der sowohl in Santiago, als auch den Provinzen arbeitet. Ueber viele Jahre wurde LA CALETA bei verschiedenen Projekten unterstuetzt, doch da Chile als Schwellenland gilt ist die finanzielle Unterstuetzung beendet worden.

Zuletzt wurde ein Projekt mit der Mapuche-Minderheit in der Hauptstadt unterstuetzt, da die in die Stadt ziehenden Mapuche zumeist ihren kulturellen Hintergrund ablegen. Dieses Projekt wurde jedoch bereits vor einigen Jahren beendet, da keine Gelder mehr dafuer zur Verfuegung standen.

LA CALETA steht noch immer mit anderen tdh - Projektpartnern in den anderen Projektregionen (Bolivien, Peru, Kolumbien)in Kontakt und beteiligt sich an der sogenanten "Projektpartner Plattform". Sie wurde als Netzwerktreffen vor Jahren ins Leben gerufen und von den Patnern so gut angenommen, dass sich heute noch ehemalige Projektpartner, wie LA CALETA und FUNDECAM, daran beteiligen.

Derzeit arbeitet LA CALETA schwerpunktmaessig in mittelfristigen Projekten in den “Problembezirken” Santiagos, denen ihr schlechter Ruf voraus eilt. Die Projekte sind etwa auf ein Jahr angesetzt und durch den chilenischen Staat finanziert.


Der Koordinator von LA CALETA hat sich einen Nachmittag Zeit genommen, um uns die Arbeit in zwei Bezirken (die wir ohne Begleitung wahrscheinlich nicht betreten haetten!) zu zeigen. Es handelt sich um einen Bezirk, der vor 40 Jahren aus "Notunterkuenften" erbaut wurde. Eigentlich sollten die Bewohner nach ein paar Jahren in dauerhafte Wohnungen ziehen, doch das ist nie geschehen. Heute leben ganze Familien mit mehreren Generationen auf engstem Raum zusammen. Die Bildungs- und Ausbildungssituation ist schlecht und der Bezirk gilt als Dealerzentrum Santiagos mit hoher Delinquenzrate und einer niedrigen Schwelle zur Gewalt. Die Polizei arbeitet in diesem Bezirk mit "speziellen Anordnungen", die eigentlich gegen das chilenische Gesetz verstossen, jedoch hier zugelassen sind. Vor einem Jahr wurde "hart durchgegriffen" und die Koepfe des Dealerringes wurden verhaftet – mit dem Ergebnis, dass heute die oft noch minderjaehrigen Soehne die Geschaefte uebernommen haben.

LA CALETA versucht in diesem durch Delinquenz gepraegten Bezirk die Jugendlichen zu organisieren und durch Angebote der informellen Bildung von der Strasse zu holen. Durch diese Angebote, die die Jugendlichen selber mitorganisieren, wird ihnen ein neues Handlungsfeld aufgezeigt und ein neues Selbstbewusstsein vermittelt. Dinge die sie z.B. interessieren waren im vergangenen Jahr ein Karneval im Bezirk und ein Tanzgruppe. Der Karneval war ein Riesenerfolg und es beteiligten sich Gruppen aus dem gesammten Stadtgebiet. Vor allem konnte so dass negative Image des Bezirkes aufgebessert werden. Als besonders schwierig beschreiben die Mitarbeiter die Gewinnung des Vertrauens der Jugendlichen und die Schaffung einer Koninuitaet. Oft wechseln die Gruppenmitglieder in kurzer Zeit, so dass die Arbeit auf ein gemeinsames Ziel hin erschwert wird.

Ein weiterer Teil des ganzheitlichen Ansatzes war die Gruendung eines Kindergartens, in dem auch sehr intensiv Elternarbeit betrieben wird - nur wenn auf verschiedenen Ebenen interveniert wird, so die Projektleiter, ist eine langfristige Verbesserung der Situation zu erhoffen.

In dem zweiten Bezirk, den wir kennengelernt haben, liegen die Schwierigkeiten aehnlich. Hier wurden als informelle Angebote u.a. ein Toepfer- und ein Jonglierkurs angeboten und die Vorbereitung einer Ausstellung, in der die Jugendlichen ihren Bezirk vorstellen.


Als Sozialpaedagogen koennen wir uns gut vortsellen, wie schwierig es ist in dem kurzen Projekt-Zeitraum langfristige Veraenderungen zu erreichen. Doch eine Aenderung der chilenischen Sozialpolitik ist nicht abzusehen und so bleiben gelegentliche Praeventionsprojekte ein Tropfen auf den heissen Stein.

Montag, 11. Juni 2007

FUNDECAM, Mapuche-Schule in Temuco, Chile

Im Mai haben wir das erste Projekt erreicht, das terre des hommes - Verbindungen hat, bzw. hatte. In Temuco, Chile, hat terre des hommes (tdh) vor vier Jahren mit der Organisation FUNDECAM (Fundacion de Desarrollo Campesino – Stiftung zur Entwicklung der Bauern) zusammengearbeitet, die die Mapuche-Minderheit auf verschiedenste Art unterstuetzt. tdh hat beim Aufbau der Mapuche-Schule "Trañi-Trañi" geholfen, wo der Staat zwar die Buecher und Mahlzeiten finanziert hat, jedoch nicht das Einrichten der Schule.


Das Schulsystem in Chile funktioniert so, dass der Staat pro Schueler an den "Betreiber" einer Schule Geld zahlt. So ist jede Schule von staatlicher Seite etwas unterstuetzt, doch rentiert sich eine Schule erst ab 25 Schuelern pro Klasse - das ist heute noch so. Doch da Chile verhaeltnissmaessig "entwickelt" ist, ist es schwer geworden fuer die durch die betriebene Politik vernachlaessigten Minderheiten Gelder im Ausland zu aquirieren. Das positive an diesem System ist, dass innovativen Konzepten Raum gegeben wird.

Das besondere bei Trañi-Trañi ist, dass die Schule nach den Richtlinien der Mapuche-Kultur aufgebaut ist und die Kultur der Mapuche in den Unterricht einfliesst. So gibt es auch ein Unterrichtsfach, in dem die Sprache der Mapuche "Mapudungun" gelehrt wird.

Was uns sehr beeindruckt hat ist, dass die Kultur der Mapuche bereits fast vergessen ist und die Sprache von nur noch wenigen Familien gesprochen wird!!! Auch die Riten der Mapuche sind den wenigsten Kindern noch bekannt, so dass sie diese oft erst in der Schule kennenlernen. Die Ursache hierfuer liegt wahrscheinlich darin, dass die Mapuche in den vergangenen 100 Jahren sehr diskriminiert wurden und heute ihre Abstammung gerne verheimlichen. Ein Ziel von Trañi-Trañi ist, dass die Schueler die Schule nach acht Jahren mit einem grossen Selbstbewusstsein, Mapuche zu sein verlassen.

Doch die Bindung an die Kultur der Mapuche ist keine Huerde fur Kinder von Nicht-Mapuche-Familien, die im Umfeld der Schule leben. Und diese Bindung ist auch nicht so dominant, dass die Kinder den Stoff der nationalen Corriculi nicht lernen wuerden, oder sich durch die Omnipraesenz gestoert fuehlen. Viele Schueler sind sogar nach Trañi-Trañi gewechselt, da der Unterricht dort besser ist, als in den umliegenden Dorfschulen - andere sind erst weggegangen, und dann wieder gekommen, aus dem selben Grund. So ist die Schule auf ueber 100 Schueler gewachsen, was fuer eine Dorfschule dieser Region riesig ist!

Ob das Konzept von Trañi-Trañi in die Corriculi der Mapuche-Region uebernommen wird, wird derzeit von dem Ministerium fuer Bildung geprueft - ueber eine Universitaet, da es im Ministerium bisher noch keine Spezialisten zu dem Thema gibt! Die Idee von FUNDECAM ist es, die Schule nach 15 Jahren an die Kommune zu uebergeben, damit die Arbeit weiter geht. Schon heute arbeitet sie eng mit den umliegenden Gemeinden zusammen, zum Beispiel indem die Schueler einmal pro Monat den Gemeindevorsteher besuchen und sich mit ihm austauschen.

Wir hatten das Glueck die Schule am "Tag des Schuelers" zu besuchen, so dass wir einen Akt mitbekamen, bei dem auch ein ritueller Tanz praesentiert wurde. Hier haben wir gelernt, dass in der Mapuche-Kultur immer alles paarweise auftritt, so wurden uns auch gleich zwei Taenze praesentiert, die musikalisch von den Schuelern selbst begleitet wurden.



Die eigentliche Schwerpunkt der Arbeit von FUNDECAM ist, wie es der Name schon sagt, die Unterstuetzung der Mapuche-Bauern in der Region. Die Region erstreckt sich ueber ein Gebiet von den Anden bis zum Pazifik und etwa 300 km von Nord noch Sued. Wir haben bei unserem Besuch die Pazifikregion kennengelernt.

Am ersten Tag waren wir dabei, als Pumpen und Wassertanks aufgebaut und installiert wurden. Bei dieser Arbeit ist es wichtig, dass alle der Gemeinschaft sich beteiligen und mit anfassen. FUNDECAM stellt lediglich das know-how und die Geraetschaften zur Verfuegung. Die Finanzierung wird so geregelt, dass die Empfaenger und FUNDECAM jeweils 50 % der Kosten uebernehmen. Das Ziel dabei ist, dass die Bauern sich kuenftig alleine um die Instandhaltung kuemmern koennen und durch die gemeinsame Arbeit noch naeher zusammenruecken. Denn nur, wenn sie sich zusammenschliessen, haben sie die Moeglichkeit die Unterstuetzung, die ihnen zustehen, vom Staat einzufordern. Eine klassische Hilfe zur Selbsthilfe, sozusagen.
Das ist der alte Brunnen der 4-koepfigen Familie...




Dazu gehoert auch, dass sie sich organisieren, was wir bei unserem zweiten Ausflug in die Gemeinde miterlebt haben. Bei einer Versammlung aller – Frauen und Maenner von jung bis alt – wurde ueber die Beduerfnisse gesprochen, die es in der Gemeinschaft gibt. Hierbei wurde darauf geachtet, dass die Frauen sich ueberlegen, was sie benoetigen, und die Manner, was ihnen am meisten fehlt. Diese Dinge (Maschendrahtzaun, fliessendes Wasser, Gewaechshauser, oder aehnliches) werden spaeter durch FUNDECAM teilfinanziert.



Fuer die Mapuche ist der Umgang mit den chilenischen Rechtstaatssystem noch fremd und bei Beduerfnissen stehen sie oft hilflos vor dem System und kapitulieren, noch bevor sie einen Schritt wagen konnten. Auch in diesen Rechtstreitigkeiten unterstuetzt FUNDECAM sie. So wurde zum Beispiel eine Strasse quer durch das Gemeideland gebaut. Sie sollte “Entwicklung” bringen, doch da die Planung nicht ganzheitlich konzipiert wurde hat sie z.B. das natuerliche Wassersysten des gesamten Territoriums zerstoert, so dass nun staendig Wasser auf den Feldern steht.
Eine Frau hat sich mit dem Bau der Strasse schon im Vorfeld nicht einverstanden erklaert, so dass vor ihrem Haus die Asphaltierung unterbrochen ist. Da es in Chile ein Gesetz gibt, das besagt, dass sich niemand der “Entwicklung des Landes widersetzen darf” steht nun eine Gerichtsverhandlung aus. FUNDECAM versucht sie in diesem Fall zu unterstuetzen. Derzeit gibt es viele deartige Konflikete in der Region.

Obwohl FUNDECAM bereits seit vielen Jahren nicht mehr durch terre des hommes Deutschland unterstuetzt wird, steht sie noch in stetem Kontakt zu anderen tdh-Partnern. Waeren wir einen Tag eher angereist, haetten wir noch eine Vertreterin von PRATEC (einem Projektpartner tdh's aus Peru) kennengelernt, die eine Woche zu Besuch bei FUNDECAM war. So werden wir den persoenlichen Kontakt wohl erst in Peru aufnehmen koennen.