Mittwoch, 14. November 2007

Besuch in Cochabamba, Bolivien

Es gab viel zu erledigen, was wir uns fuer Cochabamba aufgehoben haben: Berichte wollten geschrieben und Fotos sortiert werden, aber auch Projekte sollten besucht werden.

Das erste cochabambiner Projekt, das wir kennelernten, war CEIISA (Centro de Estudios e Investigación en Impactos Socio Ambientales). Sie arbeiten gegen den Pestizideinsatz in der Blumen- und Gemüseproduktion. Das von tdh unterstuetzte Projekt setzt bei den Kindern an: In den Schulen werden Unterrichtseinheiten angeboten, in denen die Schueler lernen, was Pestizide ueberhaupt sind, denn viele ihrer Eltern arbeiten taeglich mit diesen. Und da die Eltern oft nicht lesen koennen und auch sonst niemand sie darueber aufklaert, wie giftig die Pestizide teilweise sind, leiden viele an den Folgen: von Kopfschmerzen ueber Uebelkeit bis hin zu genetischen Schaeden der Kinder.

Doch das aendert sich nun: die Kinder koennen uns genau erklaeren, welche Symptome ich bekommen kann, wenn ich Pestizide einsetze und wie ich mich am besten verhalte, um dem vorzubeugen. Ausserdem lernen sie alternative natuerliche Methoden zur Schaedlingsbekaempfung kennen. In kleinen Schulgaerten ueben sie dann: von der Aussaat bis zur Ernte werden keine Chemikalien eingesetzt. Die Schueler haben grossen Spass an dem praktischen Teil, und kuemmern sich mit viel Einsatz um die Gaertchen: Unkraut jaeten, Wasser geben, usw... keine Arbeit wird als schlecht empfunden!

Auf einem jaehrlich stattfinden Fest der Organisation im Ortszentrum praesentierten die Schueler dann das, was sie gelernt haben der Oeffentlichkeit: Jede Klasse bereietete einen Stand vor in dem die Bevoelkerung auf anschauliche Weise vermittelt bekam, was Pestizide sind und wie sie wirken. Nun ist es an der Reihe der Erwachsenen den Kindern gut zuzuhoeren!

CEIISA organisierte das Fest, doch die Gemeinde unterstuezte sie - am staerksten ideologisch. Denn auch ihnen ist bewusst geworden, dass das Oertchen, das bekannt ist fuer seine Gemuese- und Blumenproduktion, auf Dauer einen Schaden nimmt, wenn es bei dem Einsatz der harten Chemikalien bleibt. So sind sie bemueht wenigstens auf lokaler Ebene den Pestzideinsatz zu verringern.

Auf nationaler, wie auch auf internationaler Ebene kaempft CEIISA mit gleichgesinnten fuer das Verbot der gefaehrlichsten Produkte: Viele sind in anderen Laendern bereits verboten, doch in Bolivien noch erlaubt. Das deutsche Unternehmen Bayer z.B. ist ganz gross im Geschaeft: In Deutschland verboten werden die Gifte exportiert...

INFANTE (Promoción Integral de la mujer y la infancia) ist ein weiterer Projektpartner in Cochabamba. Das von tdh unterstuezte Projekt ist ein Frauenhaus - das einzige dieser Art ganz Boiviens, wie uns mitgeteilt wurde! Hierher koennen Frauen mit ihren Kindern kommen, wenn sie mittelfristig Unterschlupf suchen. Die Ursachen sind meist interfamiliaereGewalt in den unterschiedlichsten Formen. Sie kann physisch, psychisch oder sexueller Art sein - INFANTE nimmt alle Opfer auf, wenn es genug Platz gibt. Das heisst bis zu fuenf oder sieben Kinder und die Mutter werden aufgenommen und teilen sich 2 - 3 Betten, derzeit sind elf Frauen dort, viele mit ihren Kindern. Oft teilen sich zwei Familien einen Raum.

Waehrend des Aufenthalts im Frauenhaus werden die Kinder durch eine Erzieherin betreut, wobei sie spielerisch zu Themen wie emotionelle Intelligenz oder Selbstbewusstseinsstaerkung arbeiten. Die Muetter erhalten in psychologhischen Einzelgespraechen individuelle Untertuetzung - in Gruppengespraechen teilen sie ihre Erfahrungen und lernen, dass sie auch Rechte haben. Eine Frau teilte uns mit, dass sie nun weiss, dass sie auch ein Mensch mit eigenen Rechten ist: "Zu Hause regieren die Maenner und stellen die Regeln auf! Doch nun weiss ich, was meine Rechte sind und ich werde mir das nicht mehr laenger gefallen lassen!"

In der Einrichtung koennen die Frauen bis zu drei Monaten bleiben. Das Essen, das sie selber im Turnus zubereiten, wird vom Staat finanziert. Die laufenden Ausgaben muss die Organisation selber aufbringen. terre des hommes uebernimmt einen grossen Teil der Kosten. Der Rest wird als symbolischer Beitrag von den Taetern gezahlt - so ist zumindest die Idee. Viele zahlen, doch manche verweigern dies, so dass die Frau sich durch kleine Arbeiten, wie Putzen oder den Verkauf selber produzierter Dinge, das Geld verdienen muss. Ein Projekt in der Vorweihnachtszeit ist es, Plaetzchen zu backen und diese an andere Nichtregierungsorganisationen oder Firmen in Form zu verkaufen.

Manche Frauen brechen den Aufenthalt in der Einrichtung ab, doch die meisten verlassen sie nach drei Monaten gestaerkt: Einige von ihnen gehen mit den Kindern zurueck zu ihren Maennern, doch andere versuchen es lieber alleine.

Ein Highlight unseres Aufenthaltes war die zweite Aktion der lokalen Plattform im Rahmen der Kampagne "Globalisierung, Kinder kulturelle und biologische Vielfalt". Hierzu haben sich alle tdh- Projektpartner der Region zusammengeschlossen und
in Sacaba, einem Vorort von Cochabamba, auf der "Plaza Central", direkt vor der Kirche und nach der Sonntagsmesse, ein großes Fest organisiert. Jeder Projektpartner hat seinen Zusammenhang mit Vielfalt herausgearbeitet und dieses dargestellt: CEIISA, z.B., hat verdeutlicht, dass die Pestzide nicht in die andine Kulture gehoeren und ueber die Folgen des Pestizideinastzes aufgeklaert.

PUSISUYU (Servicios Andinos Pusisuyu) arbeitet zum Thema Ernaehrungssicherheit mit Gemeinden auf dem Land. Sie haben diverse Samen von Kartoffeln, Mais und Huelsenfruechten ausgestellt. Die Bauern der Umgebung konnten sich einige der Samen mitnehmen, um sie auf ihren Äckern zu kultivieren - so funktioniert das hier! Andere Projektpartner aus den tropischen Regionen von Cochabamba konnten so z.B. ihre Avocados und Bananen gegen Kartoffeln und Mais eintauschen.

Das Fest war ein großer Erfolg: viele Kinder der Organisationen INFANTE, WIÑAY PACHA u.a. haben Theaterstücke, Puppentheater oder traditionelle Tänze vorgeführt und der halbe Ort hat sich um sie gedraengelt, um etwas sehen zu können. Auf diese Weise wurden wichtige Themen wie "kulturelle und biologische Vielfalt", "Stopp des sexuellen Missbrauchs", "Rechte" und aehnliches auf spielerische Weise den Kindern und Eltern näher gebracht.

In der folgenden Woche wollten wir eigentlich das Projekt PUSISUYU besser kennenlernen und mit dem Koordinator in die laendlichen Gemeinden fahren - doch das Wetter hat uns einen Strich durch die Planung gemacht: Durch starke Regenfaelle sind die Zufahrtsstrassen in die Gemeinden fuer Autos unpassierbar geworden! So haben wir nebenbei die Realitaet der Projektpartner kennengelernt: In der Regenzeit sind viele Strassen auf dem Land unpassierbar und die Doerfer oft ueber einige Wochen vom restlichen Land abgeschnitten. Das macht die Arbeit in den Projekten sehr schwer und die Versorgung der Doerfer mit Lebensmitteln erst recht. Da verstanden wir auch gleich noch einmal mehr, warum es fuer die Gemeinden so wichtig ist, autark in der Lebensmittelproduktion zu sein!

Stattdessen nahm Britta an einem Treffen der UNATSBO teil, dem bolivienweiten Netzwerk der arbeitenden Kinder und Jugendlichen (NATs) des Landes. Diese Vereinigung ist derzeit in einer Krise. Um aus dieser raus zu kommen, wurde ein Treffen organisiert, in dem Deligierte der NATs, Organisationen, die mit ihnen arbeiten, und "Freunde der NATs", die sie individuell immerwieder unterstuetzen, teilnahmen. Gemeinsam wurde der Ursprung der Krise analysiert und es wurde ueberlegt, wie die UNATSBO mit vereinten Kraeften aus dieser Krise kommen koennte.

Es wurde ein Papier zum weiteren Vorgehen erarbeitet, und was sehr wichtig war, es wurden Forderungen an die Minister formuliert, denn diese sind gerade im Prozess eines neuen Verfassungsentwurf im Rahmen der Verfassungsgebenden Versammlung. Die UNICEF und ILO fordern mit grossem Druck von der bolivianischen Regierung in der neuen Verfassung das Verbot von Kinderarbeit zu verankern - doch das widerspricht den Interessen der arbeitenden Kinder und Jugendlichen, die arbeiten muessen, um zum Familienunterhalt beizutragen. Die Petition der UNATSBO wurde kurz nach dem Treffen an den Aussenminister uebergeben, der sich sehr offen fuer das Anliegen der NATs gezeigt hat und versprochen hat, diese in der Verfassung zu beruecksichtigen... wir werden sehen!?!

An dem Treffen der UNATSBO nahm auch die Organisation AVE (audiovisuales educativos)teil, die von tdh punktuell unterstuetzt wird. Sie arbeiten mit den NATs des Generalfriedhofes von Cochabamba zusammen, indem sie z.B. Zeichentrickfilme mit ihnen erstellen. Unter anderem ist in der Zusammenarbeit mit ihnene eine Dokumentation ueber die NATs entstanden, die sehr gut erklaert, warum sie arbeiten muessen. Die NATs stellen sich mit grossem Selbstbewustsein vor und es wird deutlich, dass die Realitaet in Bolivien einfach eine andere ist, als die in z.B. Deutschland. Dieser Film hat uns so gut gefallen, dass wir die deutschen Untertitel fuer ihn erstellt haben, damit er in den Schulen zur Aufklaerung ueber die NATs verwendet werden kann.

Zu den Bildern der Projektbesuche:

Projektpartner in Cochabamba

Dienstag, 13. November 2007

Erklaerung des Bildes

Dieser Wandteppich wurde von den Frauen des Projektes Suma Yapu in Juli/ Peru, hergestellt. Er ist gestickt und zeigt die Vielfalt der Andenregion mit den typischen Dorfszenen. Das Projekt hat sich zum Ziel gemacht, die traditionellen, baeuerlichen Braeuche weiter zu erhalten, den Kindern und Jugendlichen jedoch auch Zugang zum modernen Wissen zu geben, damit den Kindern die Chancen der Welt offen gehalten werden. »Wir wollen beides Wissen«, so das Motto.

Im Folgenden werden die einzelnen Szenen des Bildes erklaert:


1) Opferritual fuer Pacha Mama (Mutter Erde) mit Koka, Maisbier, evtl. Wein. Das Ritual wird vor wichtigen landwirtschaftlichen Aktivitaeten, aber auch vor Versammlungen, Reisen usw. durchgefuehrt.
2) Kartoffelaussaat.
3) Auch die heiligen Berge und das Wasser haben Gefuehle. Mit passender Musik und Ritualen wird um Regen und um die Nutzung des Wassers gebeten.
4) Nachbarschaftshilfe beim Hausbau. Frauen bereiten das anschliessende gemeinsame Essen vor.
5) Totora-Schilf wird gecshnitten.
6) Weben.
7) Zur Schule gehoert auch ein Gemeinschaftsacker, auf dem gerade geerntet wird.
8) Chuño-Produktion: Mit den Fuessen wird das Wasser aus den Kartoffeln gepresst.
9) Umgraben der Erdkrumme.
10) Warentransport mit Lamas.
11) Fest der Uebergabe von Tieren in die Verantwortung von Kindern.
12) Hochzeitsfeier.
13) BriSi en Bici - Britta und Simon radeln fuer Vielfalt

Mehr Informationen ueber das Projekt Suma Yapu gibt es hier.

Das Bild kann als "Wandzeitung zu Vielfalt am Titicacasee" ueber die Geschaeftsstelle von terre des hommes bozogen werden. Diese enthaelt weitere Informationen, sowie Anregungen fuer die Behandlung des Themas im Unterricht.