Montag, 31. März 2008

Staerkung der lokalen Kultur am Titikakasee

In der Region Puno, im suedlichen Peru, hatten wir die Moeglichkeit die Arbeit verschiedener Projektpartner von terre des hommes kennen zu lernen. Sie arbeiten alle mit dem Ziel der kulturellen Staerkung und haben sich in dem Netzwerk NACAs sur, nucleos de la afirmacion cultural sur (= Kerne der kulturellen Staerkung im Sueden), zusammengeschlossen.

Besonders spannend war fuer uns zu erfahren, wo diese Arbeit ihren Ursprung hatte: Vor vielen Jahren hatten die Gruender der Organisation Chuyma Aru (aymara = das Herz der Aymara) die Idee die Kartoffel- Produktion der Region zu steigern. Gerade frisch von der Universitaet fuer Agraringenierue gekommen, lag die Loesung auf der Hand, moderne Methoden, Maschine und Chemikalien sollten die Region Puno endlich mal aus der Armut holen. Bereits nach dem ersten Jahr wurde deutlich, dass mit konventionellen Methoden die Ergebnisse eher negativ sind, und dass es nichts bringt, in der sensiblen klimatischen Zone "moderne" Methoden der Landwirtschaft einzufuehren. Aus dieser Erfahrung haben die damaligen Initiatoren, Nestor und Walter Chambi vor vielen Jahren ihre Herangehensweise ganz neu ueberdacht. Statt auf die einfaeltigen Methoden der modernen Landwirtschaft zu setzen, entschieden sie sich schliesslich lieber die vielfaeltigen Methoden, die sich ueber die Jahrhunderte in der Region entwickelt haben, wieder zu beleben. So fing alles an.

In der "cosmovision andina", der andinen Weltanschauung, spielen alle Elemente eng zusammen und der gesamte Kosmos spricht in vielen Zeichen und Symbolen zu den Menschen und verraet ihnen die richtigen Zeitpunkte fuer die Aussaat, die Ernte und vieles mehr. Und all diese Regeln wurden frueher von Mund zu Mund in der jeweiligen Sprache (hier Aymara) von den Grosseltern an die Eltern und Kinder weiter gegeben. Doch mit dem Aufkommen der Modernitaet und der "Entwicklung" gewannen andere Themen an Uebergewicht und es blieb kein Raum mehr fuer diese Gespraeche. Viele zog es in die Staedte, um vom Fortschritt etwas ab zu haben, und so kam es, dass viele ihre Doerfer verliessen und ihre Sprache und ihre Ursprungskultur zurueck liessen. Diejenigen, die zurueck blieben, fanden sich ploetzlich in einer Minderheit wieder, in einer Kultur, die nichts mehr wert war. Wichtiger Bestandteil der andinen Kultur war immer auch die Gemeinschaft und diese bestand ploetzlich nicht mehr, so das z.B. Gemeinschaftsarbeiten nicht mehr durchgefuerrt wurden.

Das Ziel ist es, dass die Kinder und Jugendlichen mit einem gestaerkten Selbstbewusstsein auftreten koennen, dass sie ihre Herkunft nicht als peinlich empfinden und als Optimal- Ziel, in ihrer Gemeinde leben bleiben, und ihre Kultur weiter leben. Derzeit ist es so, dass viele mit dem Traum fuer ein besseres Leben in eine Stadt abwandern. Einige kommen wieder zurueck, da die Stadt sie nicht unbedingt mit offenen Armen empfaengt und weil die Werte und Lebensweise dort sehr wenig mit denen der Gemeinde gemeinsam hat. Frueher war es so, dass die, die zurueck kamen, weil sie in der Stadt nicht zurecht gekommen sind, auf dem Land nicht ueberlebensfaehig waren, da sie als Kinder anderen Idealen nachgeeifert sind, als dem "Bauersein". Der heutigen Jugend soll es anders ergehen.

Die Projektpartner wie Chuyma Aru, Quolla Aymara (= Aymara als Medizin), aaruna qu'asa und Suma Yapu setzen genau dort an. Wichtig ist es, die eigene Kultur wert zu schaetzen, denn nur so koennen die Kinder und Jugendlichen diese selbstbewusst leben. Die Ansaetze der verschiedenen Organisationen sind so vielfaeltig wie die andine Weltanschauung, doch allen gemein ist das Ziel, die alten Werte wieder zu entdecken und wieder zu beleben. Im Rahmen der Vielfaltskampagne haben sie sich nun auf einen gemeinsamen Fokus geeinigt: Durch die sehr positiven Ergebnisse einiger Projektpartner wie Suma Yapu vom Titikakasee und CEPROSI aus Cusco, hat man als Schwerpunkt interkulturelle Bildung ausgewaehlt.

Suma Yapu hat in den vergangenen fuenf Jahren mit Schulen der Region westlich des Titicacasees zusammengearbeitet. Mit Gemeinden, Eltern und Lehrern wurde gemeinsam an einem neuen Lehrplan gearbeitet, der die Staerken des alten Wissens und der lokalen Kultur beruecksichtigt, aber auch das moderne Wissen nicht ausschliesst. "Wir wollen beide Wissen" sagt Eliana, die Koordinatorin des Projektes, "denn das eine darf das andere nicht ausschliessen!" So besuchen die Schueler z.B. das Internet, um dort ueber Kartoffeln zu recherchieren - und vor der Aussaat wird ein traditionelles Ritual durchgefuehrt, damit die Ernte auch gut wird. Wenn sich schwarze Wolken naehern wird mit dem Regen gesprochen und er wird gebeten spaeter zu kommen oder in anderen Regionen zu fallen. Damit kein Hagelschauer oder Nachtfrost die Ernte zerstoert, werden verschiedene Ritual auf den umliegenden Bergen durchgefuehrt, so sind die Pflanzungen geschuetzt. Die Berge sind Teil der Kosmovision, sie, die "Apus", sind genauso Lebewesen wie Tiere und Mensche. Wenn einen Duerre die Ernten bedroht, werden den Traditionen nach Froesche auf die Apus gebracht. Da sie zurueck in ihr Element Wasser wollen, weinen sie und das ruft den Regen.

All diese Methoden wurden langsam vergessen, doch gemeinsam mit den Alten der Gemeinden wieder belebt. Heute schaetzen die Jugendlichen ihre Umwelt und vor allem auch ihre Kultur wieder. Wie der 17-jaehrige Mario: "Frueher hatte ich keine Ahnung von den Zeichen der Natur, doch heute sehe ich, wie wichtig sie sind, ... , es gibt so viel was wir alles lernen koennen!" Nun weiss er, worauf er bereits bei der Aussaat achten muss, damit die Ernte gut wird. Wir haben viel Kinder getroffen, die uns auch ohne Uhr sehr genau die Zeit sagen konnten oder uns stolz das exakte Rezept ihres Lieblingsessen geben konnten.

Zur Diashow:
Vielfalt am Titikakasee