Das casa de juventud steht in dem durch Armut gekennzeichneten Viertel "comuna 7". Hier sind vor etwa zehn Jahren die ersten Zuwanderer nach einem Erdbeben angesiedelt worden und seit dem waechst das Viertel permanent. Viele verlassen ihr Land, da sie dort durch die Guerilla oder Paramilitaers Familienangehoerige verloren haben, oder selber mit dem Tod bedroht wurden. Auf der Flucht vor dem bewaffneten Konflikt siedeln sie sich in der naechst grossen Stadt an, in Popayan. Hier bauen sie sich eine einfache Bleibe in einem der Viertel des Stadtrandes. Ihre Hoffnung ist, dass sie sich dort eine Existens aufbauen und in Sicherheit leben koennen. Einige schaffen dieses auch und erweitern ihre Huette in ein Haus. Andere haben dazu nicht die finanziellen Mittel und sind damit beschaeftigt, ihre Familie zu ernaehren und ihre Huette instand zu halten. Vorallem viele alleinerziehende Muetter sind in der zweiten Sitiuation. Alleinerziehend sind die Frauen aus unterschiedlichen Gruenden, doch oft mussten wir hoeren, dass der Mann getoetet wurde.
Aber selbst hier zeigt sich der seit fast 50 Jahren andauernde Konflikt. So kam es in den letzten Jahren immer wieder zu "sozialen Saeuberungen". Tatsaechliche und potenzielle Drogendealer, Kleinkriminelle oder Menschen die dafuer gehalten wurden, wurden einfach liquidiert. "Wer macht sowas oder gibt es in Auftrag?" fragt man sich! Es sind maskierte Todesswadrone und Paramilitaers die von Geschaeftsleuten und wohlhabenden Bewohnern aus dem Viertel beauftragt werden. Auch der Polizei sagt man immer wieder aktive und indirekte Kontakte zu solchen Aktionen nach. Konsequenzen gibt es selten ... In vielen Teilen der Bevoelkerung ist diese Form von Selbstjustiz anerkannt.
Das casa de juventud arbeitet in drei Achsen: An sechs Tagen der Woche oeffnet es die Tueren fuer einen offenen Treff, zu dem alle Kinder und Jugendliche des Viertels kommen koennen. Jeden Tag wechselt das Aktionsangebot. Die zweite Achse ist die Arbeit mit den Familien im Viertel. Hierzu werden Hausbesuche unternommen, aber auch workshops organisiert. Die dritte Achse ist die Netzwerkarbeit. Es werden Verbindungen zu anderen Organisationen und Institutionen aufgebaut, um gemeinsam mehr erreichen zu koennen. Es sind sechs Mitarbeiter, die sich abwechseln und mit unglaublich viel Engagement neben Studium oder Hauptberuf (bei geringer Bezahlung) den offenen Treff ermoeglichen.
Das Ziel ist es, eine Rekrutierung der Jugendlichen vorzubeugen, zur psychischen Stabilisierung der Kinder und Jugendlichen beizutragen und innerfamiliaere Gewalt und Vernachlaessigung zu bekaempfen. Durch verschiedene Kunstformen (Tanz, Musik, Clownerie,...) erlernen die Kinder und Jugendlichen neue Formen sich auszudruecken und eigene Ziele zu verfolgen. Zum Beispiel hat sich vor einiger Zeit eine "Reggaeton"-Gruppe - "primero impacto" (erste Auswirkung) gegruendet, die bereits einige Lieder einstudiert hat und derzeit dabei ist, Videos auf zu nehmen. Die Themen ihrer Lieder drehen sich ueberwiegend um Liebe und Leidenschaft, wobei auch Sozialkritisches mehr und mehr einen Weg in die Liedzeilen findet.
Wir waren etwa eine Woche in Popayan und haben mit den Jugendlichen verschiedene Aktivitaeten durchgefuehrt. Am ersten Tag haben wir einen Rundgang durch die comuna gemacht. Hierbei waren die Kinder und Jugendlichen unserer "Touristen-Fuehrer" und zeigten uns stolz ihre einfachen Haeuser. Fuer uns war es eher erschreckend zu sehen, wie hier gelebt wird.
An einem Tag haben wir eine gemeinsame Radtour unternommen: Nur einige Kilometer mussten wir aus der Stadt fahren und fanden uns in der unberuehrten Natur wieder: Ein Fluss, der sich zu einem natuerlichen Schwimmbecken oeffnet. Die Kinder und Jugendlichen sprangen alle mit grosser Freude ins erfrischende Nass. Anschliessend zeigten wir ihnen bei einer heissen Schokolade noch Bilder unserer Reise.
Gemeinsam mit dem Team wurde ein Workshop zum Thema "Gewalt" durchgefuehrt, bei dem die Juegendlichen in Kleingruppen kleine Theaterszenen erarbeiteten, in denen sie zeigten, welche Formen von Gewalt sie in ihrem Viertel erleben. Fast alle stellten Szenen der Uebergriffe von Polizei und Paramilitaers dar - Formen von Gewalt, die wir uns in Deutschland kaum als allgegenwaertig vorstellen koennen. Ziel war es, allen nocheinmal deutlich zu machen, dass Gewalt nie eine Loesung eines Problemes darstellt, und dass diese Form des Umgangs im casa de juventud nicht erwuenscht ist. Zu diesem Thema passend fuehrten wir eine "Rote Hand-" Aktion durch, um gegen den Einsatz und die Rekrutierung von Kindern als Soldaten zu protestieren. Die Anwesenden hatten Spass daran, ihren roten Handabdruck und eine Botschaft zu hinterlassen, wie Paola:
Hier die vielen Bilder des sehr abwechslungsreichen Besuches in der comuna 7 und dem casa de la juventud:
KOLUMBIEN: Im Casa de la Juventud/ Popayan
(09.2008)