Mittwoch, 23. Januar 2008

Fundacion La Paz, Bolivien

Die Fundacion La Paz ist langjaehriger Projektpartner von terre des hommes und in La Paz eine der aeltesten Organisationen, die sich fuer Kinder und die Umsetzung ihrer Rechte einsetzt. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der Arbeit mit arbeitenden Kindern und denen, die in den Strassen von La Paz leben. Unser erster Kontakt fand in einem fuer uns neuen Kontext statt. Die Kindernachrichtensendung neuneinhalb der ard hat anlaesslich des Tags der Kinderrechte eine Sendung ueber Strassenkinder ausgestrahlt und wir wurden gefragt, ob wir in einem Frage-und-Antwort-Angebot fuer deutsche Kinder und Jugendliche mitarbeiten wuerden. Die Zuschauer sollten die Moeglilchkeit bekommen, Strassenkindern "im Sueden" Fragen zu stelle, die wir den Strassenkindern, die zur Fundacion La Paz kommen, stellen wuerden und ihre Antworten verbunden mit einigen Fotos, sollten anschliessend im Internet veroeffentlicht werden.

Gesagt, getan: So kamen wir erstmal voelligst ahnungslos, wie die Fundacion im Program Sarantañani arbeitet, dort an und lernten waehrend des Fragenstellens, dass dieses Programm den deutschen sozialpaedagogischen Angeboten fuer Strassenkinder in nichts nachsteht!

Die Kinder und Jugendlichen von Sarantañani fanden es sehr spannend, dass es in Deutschland Gleichaltrige gibt, die sich Gedanken darueber machen, wie es ihnen in Bolivien geht. So hat es ihnen auch Spass gemacht all die Fragen zu beantworten. Nur ueber eine Stunde lang still sitzen zu bleiben, war fuer manche eine kleine Herausforderung. Die Antworten der Srassenkinder aus Bolivien findet ihr hier.

Das Programm ist in vier Etappen unterteilt. Die erste Etappe ist ein sehr niedrigschwelliges Angebot fuer die Kinder und Jugendlichen, die noch die meiste Zeit auf der Strasse verbringen. Sie erhalten die Moeglichkeit in einem Bett zu schlafen und mittags warmes Essen zu bekommen, wenn sie sich an einige Regeln des Programmes halten, zu denen unter anderem der Verzicht auf Gewalt und Mitarbeit bei der Reinigung des Gelaendes gehoeren. Das Einhalten dieser schlichten Regeln faellt vielen Strassenkindern schwer, da sie auf der Strasse lebend alle erdenklichen Freiheiten haben und keiner ihnen irgendwelche Regeln vorgibt. Dort herrschen die Regeln der Strasse, die viele der Jugendlichen schon seit vielen Jahren kennen und mit denen sie sich arrangiert haben. Fuer diejenigen, die erst seit kurzer Zeit auf der Strasse leben, ist es wesentlich schwerer diese Regeln der Strasse zu akzeptieren und viele bewegen sich dort sehr unsicher und voller Angst. Ihnen faellt es wesentlich leichter, die Regeln von Sarantañani zu akzeptieren, wo sie mit viel Respekt und Zuneigung empfangen werden.

Wem es gelingt, die niedrigschwelligen Regeln einzuhalten und wer jede Nacht im Programm verbringt, der steigt auf in die zweite Etappe. In dieser erhaelt er ein eigenes Bett in einem Zimmer, das er sich mit bis zu drei anderen teilt. Fuer sie gibt es dann schon weitere Regeln und ausserdem wird versucht mit ihnen Zukunftsperspektiven zu erarbeiten. Dazu gehoert, dass eine Arbeit mit regelmaessigem Einkommen gesucht wird, dass sie wieder in die Schule gehen, dass sie ueberlegen was ihre Lebensziele sind und, dass sie auf einem Sparbuch bei Saranañani Geld sparen. Denn wenn sie in die dritte Etappe kommen, dann muessen sie schon einen kleinen symbolischen Beitrag zur Miete beitragen.

In der dritten Etappe wohnen sie dann in einem eigenen Zimmer, das sie selber gestalten koennen. Dieses befindet sich noch auf dem Gelaende des Programmes und sie werden staendig durch Sozialarbeiter oder Erzieher begleitet, die sie auf ein selbstaendiges Leben vorbereiten. In der vierten Etappe wohnen sie schliesslich in einer Wohnung, die sie selber anmieten und bezahlen. In dieser Etappe werden sie durch einenen Sozialarbeiter von Sarantañani begleitetr und ihr Leben hat sich soweit gefestigt, dass sie beinahe selbstaendig in der bolivianischen Gesellschaft leben koennen und integriert sind. Wenn sie diese Etappe erreichen, unterscheiden sie sich kaum mehr von gleichaltrigen Jugendlichen, doch bis es soweit ist koennen bis zu sieben Jahre bei Sarantañani vergangen sein.

Besonders gewundert hat uns zu hoeren, das die Kinder, die noch auf der Strasse leben, "in den Baeumen "schlafen! Das musste uns erst noch genauer erklaert werden: inmitten der Baumkrone schneiden sie sich einige Aeste raus und legen das entstandenen Loch mit Pappe aus. Der Grund dafuer ist, dass sie in den Baumkronen sicherer sind. Und die groesste Bedrohung ist die POlizei! WEnn sie an einem gut sichtbaren Platz lieben kommt es nicht selten vor, dass sie Polizei vorbei kommt und ihr Geld einfordert - haben si ezu dem Zeitpunkt kein Geld verlangen sie, dass in der naechsten Stnde Geld besorgt wird, das sie dann abgeben sollen. In den Baumkronen werden die Strassenkinder nicht so schnell gesehen, so dass sie dort sicherer sind. Doch die Baeume, die frueher als Schlafplatz dienten, sind nun abgeschnitten worden, damit sie nichtmehr dort schlafen koennen, so berichtet uns Franklin.

Bilder zu Sarantañani und den Fragerunden fuer neueneinhalb:

Fundacion La Paz, Projekt Sarantañani, La Paz Bolivien


Das terre des hommes Projekt mit der Fundacion La Paz ist TUKUYNINCHIS, das ist quechua und bedeutet "Alle Miteinander". In Diesem Projekt werden langfristige Einkommensquellen fuer die Jugendlichen geschaffen. Unter anderem gibt es ein Recycling- Projekt fuer Plastikflaschen, ein Cafe, das die Jugendliche selber bewirtschaften und Fuehrungen, die die Jugendlichen z.B. auf dem Friedhof anbieten. Wir haben diese Fuehrung an Allerheiligen besucht. Todo Santos, wie es in spanisch heisst, ist ein lautes 2 taegiges Fest und nicht wie bei uns ein stiller Gedenktag. Am ersten Tag werden auf den Friedhoefen die Graeber geputzt und geschmueckt, es wird gebetet, getanzt und gesungen. Im weiteren Verlauf des Tages werden die Seelen der Verstorbenen in den Haeusern und Wohnungen erwartet, es werden ihrer Lieblingsessen gekocht und/ oder die favorisierte Biermarke gekauft. Am 2. Tag werden die Seelen wieder zurueck zum Friedof gebracht. Es wird nocheinmal zusammengesessen, gesungen und gegesseen. Aus unserem Besuch haben wir einen kleine vertonte Dia Show gemacht, die ihr hier anguecken koennt:



Anlaesslich der deutschen terre des hommes Aktion "Strassenkind fuer einen Tag" wollten wir bei Saranañani ein Fotoprojekt durchfuehren: "Der Tag eines Strassenkindes" sollte das Thema sein. Hierzu besorgten wir fuenf Wegwerfkameras, die jeweils einem Jugendlichen einer Etappe fuer 24 Stunden zur Verfuegung stehen sollte. Doch erstmal bereiteten wir die fuenf Jungs in einem workshop auf ihre Aufgabe vor, denn keiner von ihnen war zuvor im Besitz einer Kamera und ein Foto wird in Bolivien oft so interpretiert, dass der Mensch das Zentrum des Bildes ist, das er mit ernster Miene ausfuellt. So sollten die Bilder unserer fuenf nicht werden!

Nach grosszuegigen 24 Stunden sammelten wir die Kameras ein, liessen die Abzuege machen und trafen uns anschliessend zum zweiten workshop. In diesem sollte jeder ein Plakat gestalten, indem er die besten Bilder selber auswaehlt und untertitelt. Fuer uns waren die Bilder erstmal aussagelos: Eine Haeuserzeile, davor parkende Autos und einige wenige Menschen... Eine ueberfuellte Strasse... Eine Wiese mit uns unbekannten Menschen drauf....

Doch der zweite workshop war ein voller Erfolg: Die Jungs nahmen sich viel Zeit und gestalteten jeder liebevoll ein Plakat. Jedes Foto wurde untertitelt, und ploetzlich erzaehlten sie eine Geschichte: Die Geschichte ihres Lebens! Aus dem "Tag eines Strassenkindes" war "Mein Leben als Strassenkind" geworden!!!

Als wir uns bei den Jungs bedankten, sagte Diego, dem es erstmal sehr schwer fiel sich auf alles einzulassen: "Nein, nicht ihr muesst danke sagen, ich muss mich bedanken!" Die fertigen Plakate wurden schliesslich im Gemeinschaftsraum von Saranañani ausgestellt, wo alle anderen sie bestaunten und die Geschichten lasen...

Im Folgenden wird der Fotoworkshop bebildert dokumentiert:

Erster und Zweiter Workshop
Fotoworkshop "Mein Tag"


Die Ergebnisse der Jugendlichen

Diego


Edgar


Favian


Gonzalo


Bladimir

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